Thomas Finn ist seit vielen Jahren für Das Schwarze Auge tätig - sein erstes DSA-Abenteuer namens Grenzenlose Macht gehört noch immer zu einem der beliebtesten Abenteuer und bereicherte die Kampagne der Sieben Gezeichneten in der sogenannten Nebenlinie so sehr, daß es bei der Neuauflage enthalten sein wird. Das von ihm geschriebene Einsteigerabenteuer Über den Greifenpaß wird demnächst sogar als Übersetzung in den USA erscheinen. Doch er hat nicht nur alleine Abenteuer geschrieben: Bei der Kampagne Im Schatten Simyalas wirkte er zusammen mit Lena Falkenhagen z.B. an dem Abenteuer Der Basiliskenkönig, zusammen mit Hadmar von Wieser den Rausch der Ewigkeit usw.
Auch im Romanbereich ist er tätig, wie z.B. beim DSA-Roman Das Greifenopfer oder aber jetzt seinem neuen Roman Das Weltennetz aus der Gezeitenwelt-Reihe.
Am Rande des RatCon 2003 beantwortete Thomas Finn bereitwillig die ihm gestellten Fragen für das Interview von Vinsalts DSA-Service.
DSA-Ticker: Wo wir gerade hier sind - was bedeuten Dir solche Veranstaltungen wie der RatCon? Du hast ja - im Gegensatz zu anderen Leuten - einen nicht gerade geringen Fahrweg von Hamburg nach Dortmund zu bestreiten.
Thomas Finn: Oh, ich schätze solche Cons außerordentlich. Zusammen mit dem NordCon gehört der RatCon zu meinen Pflichtterminen innerhalb des Jahres. Als Autor verbringst du ja eine ganze Menge Zeit allein vor dem Computer. Ein solche Veranstaltung wie hier gibt dir dann die einmalige Möglichkeit, direkt mit den Lesern deiner Werke, aber auch mit einer ganzen Menge anderer Leute zu sprechen, die man nicht so oft persönlich sieht. Ganz davon abgesehen, ist es hier immer sehr witzig.
DSA-Ticker: Tom, erzähl ein wenig über Dich und Deine Bezüge zu DSA. Wie bist Du zu DSA gekommen? Wie wurdest Du DSA-Autor?
Thomas Finn: Nun, mit DSA und den Fantasy-Rollenspielen im Allgemeinen bin ich 1984 erstmals in Berührung gekommen. Ein Hobby, das meinen Lebensweg in mehr als einer Hinsicht geprägt hat.
1985 begann ich damit, nach weiteren begeisterten Rollenspielern jenseits meiner Hausrunde Ausschau zu halten. Die Veteranen unter den Vinsalt-Lesern erinnern sich vielleicht noch an jene legendäre Adressliste aus einem der ersten Aventurischen Boten, in dem zahlreiche DSA-Clubs aufgeführt waren. Auf diese Weise gelang es mir unter anderem mit Hanke Penning aus Bremerhaven und einem gewissen Hadmar von Wieser aus Salzburg Kontakt aufzunehmen.
(lacht)
Zusammen mit Hanke zeichnete ich mich fünf Jahre lang für das damals recht beliebte Fanzine Die Schriftrolle verantwortlich. Von ihm wurde ich dann auch darauf aufmerksam gemacht, daß es neben DSA noch andere Rollenspiele gab. Insbesondere das Cthulhu-Spielsystem ist hier zu nennen, dem ich mich neben DSA auch heute noch sehr verbunden fühle.
Hadmar brauche ich an dieser Stelle sicher niemanden vorzustellen. Er führte mich 1991 das erste Mal in das Live-Rollenspiel ein, und ihm habe ich es auch zu verdanken, nie den guten Draht zu den offiziellen DSA-Machern verloren zu haben.
DSA-Ticker: Inwiefern?
Thomas Finn: Naja, als ich 1989 zwecks Ausbildung nach Hamburg zog, ergab es sich, daß ich als Redakteur des damaligen Magazins ZauberZeit, also dem Vorgänger der heutigen Nautilus, tätig wurde. Da der damalige Herausgeber, der inzwischen selig dahingeschiedene Laurin-Verlag, aber zu den größten Konkurrenten Schmidt-Spieles und FanPros auf dem Rollenspielmarkt zählte, kam es in jenen Jahren zu einer gewissen Verhärtung der Fronten. Dabei wurden von den Verlagen stillschweigend auch alle Autoren vereinnahmt. Gott sei dank sind diese Zeiten lange vorbei.
DSA-Ticker: Wie viele Publikationen hast Du bisher veröffentlicht?
Thomas Finn: Wollte ich hier alle meine Veröffentlichungen aufzählen, würde das eine ziemlich lange Liste werden. In den letzten 15 Jahren sind nicht nur Abenteuer und Artikel für zahlreiche Magazine entstanden, ich war im Rollenspielbereich neben DSA auch für die Spielsysteme Cthulhu und PP&P tätig, beziehungsweise, bin es immer noch. In Herausgeberschaft habe ich zusammen mit Lars Schiele auch ein Cyberpunk-Quellenbuch für Deutschland verfasst, das allerdings aufgrund der Umstrukturierung von Welt der Spiele bis heute nicht erschienen ist.
Dem Schwarzen Auge habe ich seit '97 sicher ein gutes Dutzend Abenteuer beigesteuert, hinzu kommen diverse Autorentätigkeiten bei Quellenpublikationen und Boxen. Die derzeit aktuellsten Abenteuer-Veröffentlichungen sind meine Abenteuer aus der Simyala-Trilogie, mit der ich mir einen alten Traum erfüllt habe. Ich liebe es halt episch.
(lacht)
DSA-Ticker: Deine Abenteuer gehören mit zu den beliebtesten der Serie. Wann wird
wieder ein Abenteuer von Dir erscheinen?
Thomas Finn: Danke für das Kompliment. Ich bemühe mich stets, solche Abenteuer zu schreiben, die ich auch selbst als Spieler gern erleben würde. Was Das Schwarze Auge betrifft, ist das Kontingent an Publikationen im Moment sehr mit Regelboxen und Supplements ausgefüllt, die mich als Autor ehrlich gesagt nicht ganz so sehr interessieren.
Hinzu kommen andere berufliche Tätigkeiten, die mich derzeit ziemlich in Anspruch nehmen. Ganz allgemein werde ich in Zukunft sicher nicht mehr so viel wie in den zurückliegenden Jahren schreiben können, wobei ich aber das Rollenspiel nicht aus den Augen verlieren werde.
Dieses Jahr ist meine rollenspielerische Schaffenskraft, wenn man denn so will, in das Cthulhu-Rollenspielsystem von Pegasus eingeflossen. Aus meiner Feder stammt das Abenteuer Tempus fugit!, das man in der neuen Deutschland-Quellenbox Deutschland - Blutige Kriege & Goldene Jahre finden wird. Die Box ist brandneu und erscheint im Oktober pünktlich zur Essener Spielemesse. Ich verspreche, daß es sich dabei um ein ziemlich außergewöhnliches Abenteuer handeln wird.
DSA-Ticker: Vielleicht ein paar Informationen an dieser Stelle?
Thomas Finn: Also das Abenteuer weist einen Beginn auf, der ziemlich ... wie sage ich es ... einzigartig sein dürfte.
(lächelt diabolisch)
Auf jeden Fall müssen sich die Spieler auf ein ziemlich schockierendes Erlebnis gefaßt machen, an das sie sich bestimmt noch eine ganze Weile erinnern werden. Und zwar noch, bevor sie zur ersten Chipstüte greifen können...
DSA-Ticker: Du machst es spannend. Eine Begegnung mit einem Mythoswesen, mit einem der großen Alten?
Thomas Finn: Jein. Es geht eher um eine ziemlich persönliche, tiefgreifende Erfahrung. Versuche dir vorzustellen, daß jemand von einem Moment zum anderen in dein Leben eingreift, es manipuliert und zerstört. Und wenn du den ersten Schock überwunden hast, stellst du fest, daß der Schrecken in Wahrheit erst begonnen hat.
DSA-Ticker: Und wo spielt das Abenteuer?
Thomas Finn: An der pommerschen Küste im Jahre 1922. Und um das gleich zu sagen, nein, es geht nicht um Tiefe Wesen.
(lacht)
Die hatten wir bei Cthulhu in der Vergangenheit etwas zu oft. Ich habe mich vielmehr auf andere Aspekte des Mythos konzentriert, die mir schon vor 15 Jahren den meisten Grusel beschert haben. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Außer vielleicht, daß es sich um eines meiner persönlichen Lieblingsabenteuer handelt.
DSA-Ticker: Zurück zu DSA. Du schreibst ja derzeit am sechsten DSA-Handy-Abenteuer. Was hältst Du von diesen Abenteuern und welche Bedeutung mißt Du ihnen bei?
Thomas Finn: Ich sehe die Handy-Spiele als neues, wundervoll geeignetes Medium, durch das man - unabhängig vom Spielspaß des jeweiligen Handy-Abenteuers - endlich auch wieder Neueinsteiger auf das Pen & Paper-Rollenspiel aufmerksam machen kann.
Ich weiß, Rollenspieler sind Traditionalisten. Ich habe sehr wohl mitbekommen, daß der eine oder andere DSA-Fan erst einmal aufgestöhnt hat, als die Idee der DSA-Handy-Abenteuer publik wurde. Interessanter Weise sind das zu Teilen die gleichen Leute, die sich schon heute auf das nächste DSA-Computerspiel freuen. Und bisher hat mir auch noch niemand den Unterschied zwischen einem Solo-Spieler, der zu einem Buchabenteuer greift, und einem der ein solches Abenteuer auf einem Handy spielt erklären können. Wie auch? Da existiert nämlich keiner - außer, daß man ein Handy auch mal schnell in der U-Bahn oder in einer langweiligen Unterrichtsstunde zur Hand hat.
(schmunzelt)
DSA-Ticker: Du hast also nicht skeptisch reagiert, als du das erste Mal von den Solos auf Handy gehört hast?
Thomas Finn: Nein. Als mir Stefan Blanck, der sich für die DSA-Handy-Projektentwicklung verantwortlich zeichnet, das erste mal von der Idee erzählte, war ich sofort Feuer und Flamme. Das ist auch der Grund dafür, warum bereits ein Handy-Abenteuer von mir existiert - und zwar das PP&P-Abenteuer Popcorn, Plüsch & Petticoats.
Wer sich neben Abenteuern zum Schwarzen Auge auch für einen Ausflug in die turbulente Welt der belebten Plüschtiere interessiert, sollte mal einen Blick auf die Seite www.chromatrix.com werfen.
Im Übrigen sind die DSA-Solos überaus stimmungsvoll und absolut regelkonform umgesetzt. Wer mal eines von ihnen ausprobiert hat, die kleinen animierten Würfel rollen sah oder sich von den farbenfrohen Graphiken hat bezaubern lassen, wird verstehen, wenn ich von echtem Suchtpotential spreche.
Ich freue mich auf jeden Fall schon, die Spieler im Dezember mit Drachenfeuer zu konfrontieren. So der Titel des sechsten Solos. Neben Die Grabräuber von Stefan Blanck übrigens eine DSA-Erstveröffentlichung.
DSA-Ticker: Kleiner Themenwechsel, der von einem gewissen RatCon-Workshop inspiriert wurde: Warum ist für Dich Praios nur der Oberbeleuchter?
Thomas Finn: (lacht)
Das war natürlich ein Spaß. Oberbeleuchter - in Anlehnung an Praios Funktion als Sonnengott - erinnert von der Begrifflichkeit her natürlich an Armleuchter. Eine kleine Provokation, die erfahrungsgemäß Heiterkeit im Publikum auslöst.
Praios mag zwar der Chef in Alveran sein, aber er ist unter den aventurischen Göttern sicher nur der Zweitgeborene. Am nahesten an der Schöpfung der Welt dran war und ist mit Sicherheit der Namenlose Gott.
Praios ist also trotz seiner Stellung im Götterhimmel eben nicht derjenige, der - um es mal salopp zu formulieren - den meisten Plan hat. Manchmal kommt er mir sogar etwas überfordert bei dem Versuch vor, die Weltenverteidigung gegen die Mächte der Siebten Sphäre organisieren zu müssen. Aber was soll er machen? Den Job will ja sonst niemand...
DSA-Ticker: Vielleicht der Namenlose selbst?
Thomas Finn: Klar will der die Weltherrschaft. Was er damit dann aber genau anfangen will, dazu gibt es bisher nur Spekulationen. Immerhin hatte er wohl etwas vor, mit dem die anderen Götter ganz und gar nicht einverstanden waren.
Frage doch mal Anton Weste zu dem Thema, vielleicht weiß der mehr?
DSA-Ticker: Wieso gerade Anton?
Thomas Finn:(grinsend)
Im Vertrauen, Anton hat seit Kirchen, Kulte, Ordenskrieger alles was den Namenlosen betrifft an sich gerissen. Man könnte fast glauben, er arbeite für ihn als sein irdischer Repräsentant. Wirf mal einen Blick auf seine Abenteuer: Blutige See, Kreise der Verdammnis. Na, klingelt es? Solche Titel wählt man doch nicht zufällig aus. Bei unserer Reise zum Horizont war er es, der dafür gesorgt hat, daß ein hoher Vertreter des Namenlosen das Güldenland erreichte. Und bei seinem Abenteuer Die Herren von Chorhop... Aber lassen wir das. Nicht, daß man mir noch nachsagt, ich sei Paranoiker.
DSA-Ticker: Das werde ich mir für ein Gespräch mit Anton merken. Zurück zu deinen beruflichen Aktivitäten. Die meisten hier kennen dich vor allem als Rollenspiel- und Romanautor. Auf Letzteres werde ich später noch eingehen. Du hast aber auch Drehbücher und, wie es heißt, Theaterstücke geschrieben?
Thomas Finn: Richtig. Bislang wurden vier Drehbücher verfilmt, die ich zusammen mit meinem Partner Volker Ullmann geschrieben habe. Darunter ein Pfundskerl mit Ottfried Fischer. Die haben aber so wirklich gar nichts mit Fantasy zu tun.
Dieses Jahr haben wir ein Theaterstück verfasst, das im Umfeld der Drei Musketiere spielt. Ein turbulentes "Fechtical" um eine Intrige des Kardinals Mazarin am französischen Königshof, bei der unter anderem D'Artagnans' abenteuerlustige Tochter im Rampenlicht stehen wird. Das Stück wird 2005 in Stuttgart uraufgeführt werden.
DSA-Ticker: Ich hoffe, wir erfahren, wann es soweit ist?
Thomas Finn: Ich informiere dich gerne.
DSA-Ticker: Wieder zu DSA. Hört man sich um, ist dein DSA-Roman Das Greifenopfer ziemlich gut bei den Lesern angekommen. Man munkelt bereits von einer neuerlichen Orkeninvasion.
Thomas Finn: Das positive Echo, das dem Roman zuteil geworden ist, hat mich natürlich sehr gefreut. Mir war sehr wichtig, einen wirklich aventurischen Roman abzuliefern, dessen Handlung stark in die aventurische Spielwirklichkeit eingebettet ist. Dabei hat die Zusammenarbeit mit der Lowangen-AG der Gilde der Fantasy Rollenspieler sehr viel Spaß gemacht.
Davon abgesehen reizte es mich natürlich enorm, im Greifenopfer das Schicksal jener Figuren weiterzuspinnen, die auch am Spieltisch alte Bekannte sind. Namentlich der mysteriöse Orkenführer Aikar Brazoragh oder der Schwarze Marschall Saddrak Whassoi, die beide während der Machtergreifung Borbarads etwas ins Hintertreffen geraten sind. Insofern stellt der Roman den Auftakt zu gänzlich neuen Ereignissen dar, die uns noch in Zukunft beschäftigen werden. Stefan Küppers Vergessenes Volk ist vor diesem Hintergrund zu nennen und die orkischen Aktivitäten an den Nordgrenzen des Mittelreichs sind natürlich ebenfalls nicht losgelöst von den geschilderten Ereignissen zu sehen. Eine Invasion, wie wir sie bereits hatten, wird es so aber sicher nicht geben.
DSA-Ticker: Was ist mit dem Troll Krallulatsch? Für manche war er die eigentliche Hauptfigur des Romans.
Thomas Finn: Naja, daß ein Troll unter den Protagonisten gut bei den Lesern ankommen würde, war nach dem großen Erfolg der Trolle im Rausch der Ewigkeit abzusehen. Vor allem da Krallulatsch ja schon an der Seite der Sieben Gezeichneten gestanden hat. Ich gebe zu, daß mir sein Part beim Schreiben am meisten Spaß gemacht hat. Die Weltsicht der Trollschamanen ist eben nicht nur skurril und witzig, sie ist vor allem von tiefer Melancholie und Weitsicht geprägt. Vielleicht liegt in diesem Gegensatz der große Reiz dieser Rasse.
DSA-Ticker: Wird es nach dem Greifenopfer weitere DSA-Romane von Dir geben?
Thomas Finn:: Zumindest im Moment bin ich mit anderen Romanprojekten beschäftigt, die nichts mit DSA zu tun haben.
DSA-Ticker: Womit wir gleich bei einem neuen Thema wären: Du gehörst zu den Autoren der Gezeitenwelt und in wenigen Tagen, kurz nach dem RatCon, (Anm.d.Red.: inzwischen ist der Roman erschienen) erscheint dein neuer Roman Das Weltennetz. Was verbirgt sich hinter diesem Projekt?
Thomas Finn: Bei der Gezeitenwelt handelt es sich um eine Fantasy-Roman-Saga des Piper-Verlages. Die Romane sind auf einer schillernden Renaissancewelt angesiedelt, die von meinen Kollegen Bernhard Hennen, Hadmar von Wieser, Karl-Heinz Witzko und mir ersonnen und unter Mithilfe von Geophysikern, Archäologen, Anthropologen und Biologen nach phantastisch-realistischen Aspekten entwickelt wurde.
Geschildert werden die Ereignisse nach Einschlag eines gewaltigen Meteoriten, der auf drei Kontinenten Katastrophen, Kriege und Völkerwanderungen auslöst. Und als würde die Ordnung nicht schon genug erschüttert, hält nach dem Einschlag auch die Magie Einzug in die Gezeitenwelt. Eine Magie, die aber auch Alpträume wahr werden läßt...
DSA-Ticker: Wie seid ihr auf die Idee gekommen z.B. keine DSA-Romane mehr zu
schreiben und sich stattdessen einer neuen Welt zu widmen?
Thomas Finn: Das eine muß das andere ja nicht ausschließen.
Mit der Gezeitenwelt als eigenen phantastischen Welthintergrund haben wir uns zunächst einmal den Traum erfüllt, endlich jene Ideen umzusetzen, die uns schon seit Jahren förmlich unter den Nägeln brennen. Wünsche und Einfälle, die wir bei DSA aber aus den verschiedensten Gründen nicht umsetzen konnten oder durften.
DSA-Ticker: Zum Beispiel?
Thomas Finn: (lacht)
Persönlich träume ich schon seit Jahren von einer Begegnung mit einem Vogel Roch - was mir bei DSA aber immer verwehrt blieb. Glaube mir, diese Begegnung wird auf der Gezeitenwelt irgendwann stattfinden.
Aventurien ist als Handlungsschauplatz für manche Vorhaben eben zu klein und zu festgefahren. Manchmal ist es auch einfach nur etwas schwer, sich mit seinen Ideen gegen die Vorstellungen von fünf Dutzend anderen Autoren und Spieler-Baronen durchzusetzen. Hinzu kommt, daß wir endlich ein Projekt angehen wollten, bei dem wir jene Art von echter Planung und Vernetzung von Handlungssträngen und Geheimnissen vorführen können, die wir bei DSA allzu oft vermisst haben.
DSA-Ticker: Piper hat mit Franz Vohwinkel und Caryad einige namhafte Künstler mit den Illustrationen zu der Gezeitenwelt betraut. Ein Aufwand, der sicher nicht alltäglich ist?
Thomas Finn: Richtig, das sehen wir ebenso. Der Piper-Verlag läßt uns ganz allgemein eine Unterstützung zukommen, die man einfach nur als vorbildlich bezeichnen kann. Franz Vohwinkel, der zum Beispiel für die Gestaltung des Spieleklassikers Siedler von Catan verantwortlich ist, steuert jedem Band zwei Karten bei. Und durch Caryads tatkräftige Unterstützung lebt bei uns die alte Tradition szenisch passender Innenillustrationen wieder auf. Buchverlage geben sich ja heutzutage kaum noch diese Mühe. Die Romane werden dadurch zu echten Schmuckstücken einer jeden Sammlung.
DSA-Ticker: Zum Merkmal der Gezeitenwelt gehört auch ein geheimnisvolles Runenalphabet?
Thomas Finn: (schmunzelt)
Ja, eine Art Geheimschrift, an deren Entzifferung sich unsere Leser nach und nach versuchen dürfen. Wer es schafft, erfährt mehr über die Gezeitenwelt, als unsere Protagonisten
DSA-Ticker: Über die Runen, die sich auf dem Cover befinden, wird ja schon fleißig spekuliert. Es sind zwölf Stück. Bedeuten sie G.e.z.e.i.t.e.n.w.e.l.t?
Thomas Finn: Guter Versuch, hätte fast geklappt. Wer weiß, vielleicht stehen sie ja für www.vinsalt.de.
(lacht)
DSA-Ticker: Na dann muss ich es meinem Mitbewerber Oliver doch nachmachen und auch noch ein Gezeitenwelt-Forum eröffnen...
(lacht)
Thomas Finn: Ja, mach das! Auch wir Autoren haben mit dem Forum beim Aventurium sehr viel Spaß. Bei dir würden wir uns ebenfalls blicken lassen. Vielleicht tut ihr euch einfach zusammen?
DSA-Ticker: Ja, mal sehen. Aber zurück zum eigentlichen Thema: Ihr seid vier Autoren. Wie laufen die Fäden Eurer Romane zusammen? Muß man sich das so wie bei den neuen Rhiana-Romanen für DSA vorstellen?
Thomas Finn: Nein. Im Moment schildert jeder von uns innerhalb der Gezeitenwelt die Erlebnisse seiner eigenen Protagonisten. Das bedeutet, daß jeder Band in sich abgeschlossen ist, also auch ohne zwingende Vorkenntnisse der zuvor erschienenen Romane gelesen werden kann. Das wird dadurch möglich, daß die jeweiligen Geschichten, die von uns erzählt werden, zum gleichen Zeitpunkt, an jeweils unterschiedlichen Ecken der Welt einsetzen. Und wie schon gesagt, ich spreche hier von einer ganzen Welt, nicht nur von einem kleinen Kontinent. Die Erzählungen werden natürlich nach und nach zusammenlaufen. Am besten, man stelle sich das wie die Wurzeln eines Baumes vor, die schließlich zu einem gemeinsamen Stamm zusammenwachsen. Das heißt auch, daß der Leser die Gezeitenwelt zunächst aus der Sicht unterschiedlicher Figuren kennenlernt und nach und nach mit ihr vertraut wird. Trotzdem werden sich unsere Protagonisten schon im jetzigen Stadium der Saga durch ihre Handlungen gegenseitig beeinflussen und sogar persönlich begegnen. Das macht ja gerade den Reiz des Projektes aus.
DSA-Ticker: Kannst du uns kurz schildern, was den Leser im Roman Das Weltennetz erwartet?
Thomas Finn: Klar. Es geht um eine Schiffs-Expedition des ajunäischen Staates Kurjameos in den sogenannten Ozean des Morgens. Die Besatzungen der Karavellen stoßen dort unter dramatischen Umständen auf eine geheimnisvolle Inselkultur. Eigentlich wurde die Expeditionsflotte ausgesandt, um das Purpurmonopol der Fernhändler vom Nachbarkontinent Serkan Katau zu brechen. Aber natürlich kommt es völlig anders, als es sich die Urheber der Expedition erhofft haben. Unversehens werden die Protagonisten des Romans in weltumspannende Ereignisse verwickelt, die sie letztlich auf die Spur eines der großen Mysterien der Gezeitenwelt führen.
Stimmungsmäßig ist die Geschichte sicher eine Mischung aus Sindbad und Fluch der Karibik.
Ach ja, erstmals werden wir in dem Roman einen vollständigen Runentext veröffentlichen. Wir sind alle schon sehr gespannt darauf, wann unsere Leser es schaffen, ihn zu entziffern.
DSA-Ticker: Wieso ist der Roman eigentlich so lang geworden - eigentlich solltest Du ja nur einen Band und keinen Zweiteiler schreiben?
Thomas Finn:: Tja, diese Frage haben mir Mitte des Jahres natürlich auch meine Kollegen gestellt. Vor allem Karli, dessen Traumbeben dadurch ein halbes Jahr später erscheinen wird. Geplant war das ursprünglich natürlich nicht. Technisch gesehen habe ich mich während des Schreibens einfach verrechnet. Wenn du deinen Text nach Standardmanuskriptseiten zu 1.800 Zeichen berechnest, statt zu 1.500 Zeichen, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre, kommst du natürlich auf eine völlig andere Gesamtseitenzahl. So ist es mir ergangen. Ursprünglich war der Verlag noch davon überzeugt, den Stoff in einem Roman unterbringen zu können. Doch eine genauere Kalkulation ergab schließlich, daß der Band damit um einiges hätte teurer werden müssen. Der zweite Teil der Geschichte findet daher in dem Roman Die Purpurinseln seine Fortsetzung.
DSA-Ticker: Das mit den unterschiedlichen Zeichen kommt mir bekannt vor - wenn man, so wie ich, bei Preis der Macht Druck- mit Manuskriptseiten verwechselt, muß man am Ende doch noch einiges kürzen.
Aber zurück zur Gezeitenwelt: Ist es nicht ein schlechtes Omen wenn die Zahl der Gezeitenwelt-Romane gerade genau auf die 13 erhöht worden ist?
Thomas Finn: (lacht lauthals)
Also zunächst einmal: In meiner Familie ist die 13 eine Glückszahl. Meine Eltern haben sogar eigens an einem Freitag den 13. geheiratet. Und ich kann wirklich nicht sagen, daß es uns dadurch schlecht ergangen wäre. Davon abgesehen sprechen wir heute in weiser Voraussicht nicht von 13 Bänden, sondern von "mehr als zwölf Romanen". Das können nämlich gegebenenfalls auch 14 Titel werden. Natürlich höre ich bereits die Gralshüter, die uns jetzt kommerzielle Ambitionen vorwerfen. Aber das ist natürlich Unsinn. Wir bitten da um ein wenig Nachsicht. Wir alle wollen die Gezeitenwelt-Saga in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen zu Ende führen. Aber solch ein großes Projekt ist eben wie ein Kind, das man aufzieht und langsam groß werden sieht. Und wie es Kinder an sich haben, gehen sie manchmal eigene Wege, die so von den Eltern nicht beabsichtigt sind.
DSA-Ticker: Wie wird die Gezeitenwelt sich weiter entwickeln?
Thomas Finn: Die erste Staffel der Saga, die mit Karlis Roman Traumbeben ihren Abschluß findet, beschreibt die Zeit direkt nach der Weltenkatastrophe. Also den Einbruch der Magie, die Entstehung von Fabelwesen und vieles mehr.
Die zweite Staffel widmet sich dann der Blütezeit dieser Epoche, also der Hochphase der Gezeitenwelt-Magie und ihre Auswirkung auf die Welt, ihre Völker, Staaten und Institutionen. Kriege und Klimaveränderungen werden bei alledem eine wichtige Rolle spielen. Die Protagonisten, die unsere Leser schon in der ersten Staffel kennenlernen durften, werden auf dieser Bühne erneut in Erscheinung treten. Manch einer von ihnen wird sich vom Saulus zum Paulus wandeln und umgekehrt. Sie alle aber werden wichtige Rollen ausfüllen, die die Zukunft der Gezeitenwelt maßgeblich beeinflussen werden.
Was die dritte, abschließende Staffel anbelangt, nun, dazu möchte ich einstweilen nicht allzuviele Worte verlieren. Aber die Leser dürfen erwarten, daß wir hier all die Fäden, die wir bis dahin aufgespannt haben, zusammenführen und die Saga zu einem epischen Abschluß bringen werden. Einige Hinweise auf dieses Ende haben wir bereits in den ersten Romanen ausgestreut.
DSA-Ticker: Gibt es mit der Gezeitenwelt weitere Planungen? Die Autoren der
Gezeitenwelt sollen sich ja auch bei den sogenannten Rollenspielen recht
gut auskennen...
Thomas Finn: Ja, tun sie das?
(lacht)
Tatsächlich ist in dieser, aber auch in anderer Hinsicht noch einiges in Planung, über das ich zum gegebenen Zeitpunkt aber leider nicht sprechen kann. Laß dich überraschen. Ja, ich bin mir sogar sicher, es wird dich überraschen...
DSA-Ticker: Damit beschließen wir das Interview - Du hast ja noch einen langen Weg nach Hamburg vor Dir. Gibt es noch etwas, was Du den Lesern von Vinsalts DSA-Service mitteilen willst?
Thomas Finn: (schmunzelt)
Zunächst einmal teile ich deren Freude, daß du den Vinsalt-Service wieder reaktiviert hast. Ich werfe selbst oft einen Blick in die Foren. Aber mitteilen? Hm, vielleicht sollten alle wissen, daß sich die DSA-Redaktion hier immer noch recht häufig herumtreibt - auch wenn das nicht so offensichtlich ist. Und ich möchte vielleicht persönlich noch anmerken, daß ich das Gesprächsklima bei Vinsalt sehr schätze. Also, weiter so! Vielleicht demnächst in einem Gezeitenwelt-Forum.
DSA-Ticker: Ich danke für das Interview.